fankongress 2012 - ein rückblick

fankongress 2012 – ein rückblick


(trailer)

nicht nur die bundesliga boomt. auch die fankultur erlebt gerade eine hochphase. nur schade, dass hierzulande und zugegebenermaßen überall für einige beides nicht so zusammenpassen mag. reden manche von der bundesliga, dann geht es um ein produkt. hören andere von fankultur, knallen sicherungen durch, weil die söhne mit ihren vätern nicht mehr zum fußball gehen können ohne von „sogenannten fans“ in lebensgefahr gebracht zu werden.
die fronten scheinen verhärtet positionen der beteiligten sind hinreichend bekannt, geistern durch die presse und foren. es wird viel geredet. aber leider reden betroffene und beteiligte mehr über- als miteinander. das sollte sich ändern.

fankongress 2012 - ein rückblick
fankongress 2012: gleich geht es los

am vergangenen wochenende fand im kosmos zu berlin der fankongress 2012 statt. die von fußballfans organisierte veranstaltung sollte den zahlreichen und sich wiederholenden monologen einen dialog entgegensetzen. vertreter des dfb, der dfl, vereine, medien und polizei wurden von seiten der fans geladen und auch in foren oder workshops eingebunden. die polizei glänzte allerdings mit einer dienstlich begründeten absage und dadurch mit abwesenheit während der veranstaltun. die freunde und helfer ließen es sich aber weit nach ende des ersten veranstaltungstages nicht nehmen, dem kongressort doch noch einmal einen besuch abzustatten. immerhin zeigten die anderen mehr entgegenkommen (naja, ein paar waren da) oder zumindest die bereitschaft zuzuhören (bis auf die punkte, bei denen sie von vornerein nicht mit sich reden lassen).

der trailer oben markierte den auftakt der veranstaltung. zahlreiche medienvertreter, bestückt mit kameras, aufnahmegeräten oder rechner, bevölkerten neben den gespannten 550 fans von mehr als 60 vereinen am samstag schon kurz nach beginn um 9 uhr das kosmos. wie schon bei der fandemo vor zwei jahren ging es äußerst diszipliniert zu. sämtliche konflikte wurden der sache untergeordnet: „in den farben getrennt, in der sache vereint“. es galt, ambitioniert und konstruktiv sechs themenfelder zu bearbeiten:

1. wem gehört der ball? der fußball zwischen gesellschaftlicher verantwortung und privatrecht
2. fankultur als soziales phänomen
3. die chance und grenzen von selbstregulierung, freiheit und verantwortung in der fankurve
4. identifikation der fans mit dem verein in zeiten des „modernen fußballes“
5. wie schaut der fußball in der zukunft aus und welche rolle spielen die fans dabei?
6. „rechtsfreier raum“ stadion?

spätestens hier lohnte es sich für zahlreiche fangruppen, dass sie gleich mehrere mitglieder zum kongress abstellten. in vier blöcken fanden dreimal fünf workshops/foren statt. aus reiner neugier und spontanem antrieb heraus, enthielt mein programm am samstag „möglichkeit der mitsprache von fans in ihrem verein“ (5), „geld regiert die welt? einflussfaktoren auf anstoßzeiten“ (1), „podiumsdiskussion: wir waren im stadion und haben es erlebt!“ (6). sonntag interessierte mich noch „mitbestimmung in england. die arbeit von supporters direct“ (5). diese auswahl ging zu lasten von pyrotechnik-diskussionen und -modellen, fangewalt und gegenmaßnahmen, einblicke in andere szenen und zustände europas und vieles mehr.

martin kind (kennt jeder. manchen liegt er im ohr, anderen hängt er zum hals raus), rené lau (fananwälte), jens wagner (hamburger sv supporters club. hätt ich auch gern beim fck) und robert pohl (unsere kurve) diskutierten nach umfangreichen präsentationen „50+1„, mögliche folgen der rechtssprechung und einflussmöglichkeiten der anhänger. unterm strich zähl ich kann man festhalten, dass für fans mit gestaltungswillen oder dem wunsch, dass der verein erhalten bleibt, kein weg an einer mitgliedschaft vorbeiführt. im e.v. kann man sand im getriebe und zünglein an der waage sein. hängen blieb allerdings auch, wie überzeugt martin kind sein projekt verfolgt. man (ich) kann ihm nicht einmal vorwerfen, dass er sich für faire bedingungen einsetzt (apropos fairness: mehr dazu im nächsten absatz). ich werfe ihn nur vor, dass er wider teils katastrophaler/tatsächlicher gegenbeispiele sein heil weiterhin in der abschaffung von 50+1 sucht. die fans des hsv haben ihren beitrag geleistet, dass der hsv weiterhin in mitgliederhand bleibt. auch wenn beim fck schon die weichen auf eine ausgliederung gestellt wurden, besteht noch immer die möglichkeit, schlimmeres zu verhindern.

fankongress 2012 - ein rückblick
fankongress 2012: holger hieronymus erklärt den spielplan

was fans mit der anstoßzeit und dem spielplan zu tun haben, wollte man am ende der zweiten veranstaltung nicht mehr wissen. anfangs erwähnte holger hieronymus (geschäftsführer der dfl und damit vertreter der profivereine) in seinem powerpoint-karaoke zwar noch, dass man fairness walten und fan-wünsche berücksichtigen wolle. doch je länger die diskussion dauerte, um so mehr ging es um fans als gefährdendes element der spielplangestaltung. dirk grosse (sky deutschland ag) konnte sich gemütlich zurücklehnen und erklären, dass dem sender allein „die zufriedenheit der kunden“ von bedeutung sei. allein tim von der frenetic youth kaiserslautern stichelte stellvertretend für die anwesenden anhänger. sein lässiger impulsvortrag, noch dazu knapp und auf den punkt, motivierte zu weiteren kritische fragen und anmerkungen. denn wie fortuna düsseldorf in der aktuellen saison, musste der 1. fc kaiserslautern in der vergangenheit absurd viele montagsspiele und unmögliche, fanunfreundliche spielansetzungen über sich ergehen lassen. auch hier gilt das fazit der ersten veranstaltung: es liegt an den fans sich aktiv im verein einzubringen und die handelnden zum einsatz für fanfreundliche anstoßzeiten zu animieren. ist dies erst einmal der fall für sämtliche profivereine, kann sich ein holger hieronymus nicht mehr als vertreter ebendieser profivereine herauswinden, weil diese fanunfreundliche anstoßzeiten begrüßen würden. mit dem auftrag, die belange der fans zukünftig stärker zu berücksichtigen und möglichkeiten hierzu auszuloten, entließ man den ehemaligen profifußballer und dfl-vertreter.

„wir waren im stadion und haben es überlebt“ geht zurück auf den gelungenen text von schwatzgelb. da henrik große lefert (sicherheitsbeauftragter beim dfb) bereits auf dem weg nach mainz war und weil ingo rautenberg (zis) vom vorgesetzten und aus dienstlichen gründen abberufen wurde, fehlte der diskussion leider die gegenposition. es war ein verdienst von moderator gerd dembowski, dass diese veranstaltung dennoch in die verlängerung ging. redebedarf gab es schließlich reichlich. redebedarf gibt es auch weiterhin. an anderer stelle – im aktuellen sportstudio am gleichen abend – wurde dies nicht nur deutlich, sondern die redaktion und michael steinbrecher vermittelten (hoffentlich nicht nur scheinbar) auch ein komplexeres bild der fanszene, fankultur, gewalt- und pyrotechnik-diskussion: teil 1, teil 2 & teil 3.

am zweiten tag blickten die anwesenden fans und die etwas gerschrumpfte gruppe der medienvertreter über den deutschen tellerrand. antonia hagemann von supporters direct stellte die zustände und verhältnisse im britischen fußball vor und zeigte, was die organisation gemeinsam mit anderen überzeugungstätern dort und in anderen ländern bewegt. didaktisch war diese session vielleicht die gelungenste. am liebsten hätte ich mich anschließend auch gleich dem sd angeschlossen, allerdings zeigte das beispiel england und italien, wie gut es die fans in deutschland (noch) haben. mitbestimmung im mutterland des fußballs geht in richtung profifußball fast nur über graswurzelarbeit oder, wenn mäzene und investoren einen insolventen club hinterlassen. über die meist erfolgreiche sanierungsarbeit erarbeiten sich die fans ihr sonst nicht existentes mitspracherecht. auch hier heißt es wieder für die fans: bringt euch ein. werdet vereinsmitglied. übernehmt verantwortung und schaut den verantwortlichen auf die finger.

fankongress 2012 - ein rückblick
fankongress 2012: sonnenschein vor dem kosmos

am ende standen abschlusspräsentationen der sechs themen an. die verantwortlichen veranstalter fassten die foren und workshops zusammen und erweckten bei mir zumindest den eindruck, dass man durch die bank fortschritte machte. als fan sitzt man zwar nicht am längeren hebel. schon lange nicht mehr. aber die fans machten überzeugend klar, dass sie konstruktiv an ihrem sport und an den rahmenbedingungen mitarbeiten wollen. dies gilt es aber auch zu kommunizieren. das aktuelle sportstudio war ein kleiner teilerfolg, an dem in den kommenden wochen unbedingt angeknüpft werden muss.

der fankongress 2012 war ein vielversprechendes statement. die veranstaltung wurde – ohne sponsoren – komplett in eigenregie organisiert und von den fans selbst getragen. der veranstaltungsort kam mir persönlich natürlich sehr entgegen. das catering stimmte, selbst das wetter spielte mit. die programmgestaltung war umfangreich, rund und stimmig. sollte es in zukunft weiterhin diskussionsbedarf geben – danach sieht es gegenwärtig aus – würde ich einen weiteren fankongress auch außerhalb berlins unterstützen und daran teilnehmen wollen.

tl;dnr: ich denke, der fankongress 2012 war gelungen und ein erfolg.

2 Gedanken zu „fankongress 2012 – ein rückblick“

Erwähnungen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert